Die Rollböcke
Zum Transport von Normalspurwagen auf der Schmalspurbahn
Titelbild: Rollbock Nr. 137 (geb. 1970 bei Orenstein & Koppel) als Schaustück am Bahnhof Dörzbach, Tobias Hümmelchen 2020
Da die Jagsttalbahn eine Schmalspurbahn mit der Spurweite von 750 mm ist, hätten theoretisch sämtliche Güter und Waren in Möckmühl die mit der regelspurigen Eisenbahn (1435mm Spurweite) ab- und antransportiert wurden, umgeladen werden müssen. Um dies zu vermeiden, fanden auf der Strecke bereits seit der Eröffnung Rollböcke Verwendung. In Möckmühl befand sich eine Rollbockgrube, mittels welcher die normalspurigen Wagen auf die Rollböcke gesetzt (aufgebockt) wurden und somit unkompliziert Richtung Dörzbach gebracht werden konnten.
Da der Güterverkehr die Hauptaufgabe der Jagsttalbahn war, kam insgesamt eine beachtliche Anzahl Rollböcke verschiedener Hersteller und Tragfähigkeiten zum Einsatz. Insbesondere während den Rübenkampagnen war eine große Anzahl nötig, um die langen Rollbockzüge aus den normalspurigen Hochbordwagen bilden zu können. So standen bei der Jagsttalbahn insgesamt über die 87 Betriebsjahre 116 Stück im Dienst.
Detailaufnahme eines aufgebockten Wagens. Gut zu sehen ist, dass sich der normalspurige Wagen nur mit seinen Spurkränzen auf dem Querträger abstützt. Die Gabeln zwischen den Radscheiben verhindern lediglich ein Herabrollen.
Ein bescheidener Anfang (1900-1929)
In den Anfangsjahren fand der Großteil des Güterverkehres noch in schmalspurigen Güterwagen statt und es standen lediglich zwei Paare, also vier Stück, Rollböcke zur Verfügung. Gebaut wurden sie 1900 in Görlitz und erhielten die Nummern 1 bis 4. Interessant ist, dass zwei hiervon anfangs mit einer Görlitzer Gewichtsbremse ausgestattet waren, was dem bis ungefähr 1930 gebräuchlichen Bremssystem auf der Jagsttalbahn entspricht. Da also lediglich zwei normalspurige Wagen gleichzeitig transportiert werden konnten, waren mehrere der Bahnhöfe (z.B. Widdern und Jagsthausen) mit Rollbockgruben und normalspurigem Abstellgleis ausgestattet. Dadurch waren die Rollböcke für andere Aufgaben frei, während die normalspurigen Wagen be- und entladen wurden.
Bald schon wurde der Bestand aber nach und nach erweitert und so standen bis 1929 bereits 30 Stück zur Verfügung. Die Neuanschaffungen wurden großteils wieder in Görlitz gebaut. Nur die Rollböcke 9 bis 18 stellte die Firma „F. Meguin & Co“ (Dillingen (Saar)) her. Da mit der Zeit die Normalspurfahrzeuge stetig größer und schwerer wurden besaßen die Rollböcke 9 bis 30 eine Tragfähigkeit von 17 Tonnen, während die ersten Acht nur 13,5 Tonnen Last transportieren konnten.
Die zwei gebremsten Rollböcke bewährten sich nicht sonderlich und die Bremsanlagen wurden relativ bald ausgebaut. Stattdessen entstand 1930 mit dem M-D 160 der erste Pufferwagen aus einem einfachen Hochbordwagen. Zum einen sorgte er im Gegensatz zu Kuppelstangen durch seine zusätzlichen Normalspurpuffer für einen gleichmäßigen Verlauf der Zug- und Druckkräfte im Zug, zum anderen diente er eben auch als Bremswagen.
Rollböcke aus Esslingen (1941-1944)
Die nächsten Rollböcke wurden erst im Jahr 1941 angeschafft. Die Gründe hierfür dürften zum einen das Kriegsgeschehen und dem damit verbundenen Verlegen vieler Transportleistungen auf die Schiene, aber auch die weiter angestiegenen Achslasten der normalspurigen Güterwagen sein. Wegen zweiterem hatten die neugekauften Exemplare eine Tragfähigkeit von 20 Tonnen. Nach und nach wurden bis Mitte 1946 insgesamt 34 Rollböcke bei der Maschinenfabrik Esslingen fertiggestellt. Trotz kriegsbedingter Lieferverzögerungen konnten die eigentlichen Rollböcke noch alle bis 1944 gebaut werden, nur die Bremsausrüstung der letzten sieben Stück stand erst im Jahr 1946 zum Einbau bereit. Obwohl die Erfahrungen mit den zwei gebremsten Rollböcken der Erstausstattung nicht übermäßig waren, wurde nun ein zweiter Versuch unternommen. Die Hälfte, also 17 Exemplare, erhielt eine Westinghouse Druckluftbremse. Sie trugen die Nummern 81 bis 97. Die ungebremsten erhielten lediglich eine durchgehende Druckluftleitung und wurden mit den Nummern 41 bis 57 in den Bestand übernommen.
Auch diesmal fanden die bremsbaren Rollböcke beim Personal keinen großen Anklang. Der Hauptgrund dürfte gewesen sein, dass viele zusätzliche Luftschläuche nötig waren, um alle Bremsanlagen der Rollböcke miteinander zu verbinden. Dies entfiel bei der Verwendung von Pufferwagen, da zwischen diesen einfach die Luftleitung der Normalspurwagen verwendet werden konnte. Aus diesem Grund verschwanden bis ungefähr Mitte der fünfziger Jahre alle Bremsanlagen und Luftleitungen wieder von den Rollböcken. Stattdessen entstanden in der Dörzbacher Werkstatt drei weitere Pufferwagen aus normalen Fahrzeugen (1957: M-D 161, 1960: M-D 88, 1961: M-D 159).
Esslinger Rollbock Nr.85 abgestellt in Dörzbach. In der vorne zu sehenden großen Aussparung im Rahmen, befand sich ursprünglich der Bremszylinder der Druckluftbremse.
Orenstein & Koppel (1962-71)
Ab 1962 wurde nochmal eine beachtliche Anzahl neuer Rollböcke von der DEBG bzw. ab 1963 der SWEG angeschafft. Bis 1971 entstanden insgesamt 45 Stück, dieses Mal alle von vornherein ohne Bremsausrüstung. Während die Waggonfabrik Rastatt nur für den Bau von fünf Rollböcken verantwortlich war, stammen die restlichen 40 Stück von der Firma Orenstein und Koppel (O&K). Äußerlich bestehen zwischen den Fahrzeugen der beiden Hersteller keine Unterschiede. Im Vergleich zu allen vorherigen Anschaffungen, weisen sie allerdings eine abermals gestiegene Tragfähigkeit von 22 Tonnen auf. Sie erhielten die Nummern 100 bis 144.
Der letztgebaute Rollbock mit Nummer 144 ist mit Baujahr 1971 die letzte Neuanschaffung an Rollmaterial, die für die Jagsttalbahn gemacht wurde. Fortan fanden nur noch gebrauchte Fahrzeuge ihren Weg ins Hohenlohische.
Wegen der weiter gestiegenen Anzahl an Rollböcken wurden auch nochmal zwei weitere Pufferwagen in Betrieb genommen. Zum einen M-D 410 der von der Kreisbahn Osterode-Kreiensen erworben wurde, zum anderen, wieder als Umbau aus eigener Werkstatt, der M-D 105.
Gebrauchte Bundesbahn Rollböcke (1983)
Die letzten weiteren Rollböcke fanden 1983 ihren Weg in das Jagsttal. Von der Bundesbahnstrecke Warthausen-Ochsenhausen (heute Museumsbahn „Öchsle“), wurden acht Stück gebraucht gekauft. Diese waren von Orenstein & Koppel 1958 und 1961 an die DB geliefert worden und besaßen alle eine Druckluftbremse. Nach dem Ankauf erhielten sie die Nummern 150 bis 157, eingesetzt wurde sie aber vermutlich nicht mehr planmäßig.
2015 konnten alle acht Rollböcke an das Öchsle zurückgegeben werden. Inzwischen steht der ehemalige Rollbock Nr. 154, wieder mit seiner Bundesbahn Nummer 505, als Denkmal in Leonbronn und erinnert an die ehemalige Schmalspurbahn von Lauffen am Neckar durch das Zabergäu nach Leonbronn.
Lok 22-01 zieht in Möckmühl mehrere normalspurige Güterwagen über die dortige Rollbockgrube auf Rollböcke.
Zu erwähnen ist noch, dass es immer wieder zu Entgleisungen und Unfällen mit den Rollbockzügen kam. So konnte es auch mal passieren, dass ein paar Bundesbahnwagen in der Jagst baden gingen. Der Hauptgrund für solche Ereignisse dürfte wohl schwacher und verschlissener Oberbau gewesen sein.
Abschließend bleibt festzustellen, dass ohne dem umfangreichen Einsatz von Rollböcken die Jagsttalbahn wohl nie so lange überlebt hätte. Das spiegelt sich auch darin wider, dass 1984 immer noch 72 von ihnen betriebsfähig und im Einsatz waren. Allerdings wurden viele Rollböcke arbeitslos, nachdem 1986 leider der Rübenverkehr eingestellt wurde. Dennoch blieb eine recht große Anzahl erhalten. Für sie gibt es bei einer Museumsbahn viele neue Einsatzmöglichkeiten.